Mit einer Dotation von CHF 250’000 gilt der Schweizer Wissenschaftspreis Marcel Benoist als Schweizer Nobelpreis. Der diesjährige Preisträger Pascal Gygax, Forscher für experimentelle Psycholinguistik und kognitive Psychologie an der Universität Freiburg, wird für seine herausragenden Leistungen zur Erforschung des Zusammenhangs von Sprache und geschlechtsspezifischen Vorurteilen ausgezeichnet.
Männlich gleich Mann – und ungleich Frau
Besonders relevant sind seine Untersuchungen darüber, wie eine vermännlichte Sprache unsere Wahrnehmung der Welt beeinflusst. Seine Experimente zeigen, dass die Verwendung des generischen Maskulinums, also die alleinige Verwendung von männlichen Wortformen für alle Geschlechtsidentitäten, vom Gehirn aufgrund seiner Funktionsweise nicht generisch interpretiert wird. Wenn wir ein Wort in der männlichen Form lesen, zum Beispiel Bäcker, interpretieren wir «männlich gleich Männer» und assoziieren damit nicht automatisch auch Frauen oder non-binäre Personen. Dies hat weitreichende gesellschaftliche Folgen, zum Beispiel bei der Berufswahl oder bei Stellenausschreibungen. Als männertypisch wahrgenommene Berufe wie Chirurg wecken bei Mädchen und jungen Frauen mehr Interesse, wenn sie auch mit der weiblichen Form Chirurgin beschrieben werden.
Pascal Gygax’ Forschung umfasst auch weitere Fragestellungen. So hat er unter anderem untersucht, wie Jugendliche schriftliche Warnhinweise auf Zigarettenpäckchen kognitiv verarbeiten, um daraus Erkenntnisse für eine effektivere Prävention zu gewinnen. Ebenso hat er aufzeigen können, wie unsere Zeitwahrnehmung durch Sprache beeinflusst wird.
Wissenschaft verständlich dargestellt
Ein grosses Anliegen von Pascal Gygax ist es, komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse allgemein verständlich zu kommunizieren und damit Wissenschaft der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Radiobeiträge und Workshops zum Thema «inklusive Sprache» gehören ebenso zu seinem Engagement wie die Arbeit mit Kindern. 2021 war er Mitverfasser des Buchs «Le cerveau pense-t-il au masculin? Cerveau, langage et représentations sexistes» («Denkt das Gehirn männlich? Gehirn, Sprache und sexistische Darstellungen»), einem Plädoyer für eine inklusive Sprache, das auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten 15 Jahre beruht.
Der Forscher betont denn auch: «Diesen Preis zu erhalten ist nicht nur eine grosse Ehre sondern auch ein sehr wichtiges Zeichen der Anerkennung für das gesamte Team. Er krönt zwanzig Jahre Forschung über die komplexen, aber spannenden Verbindungen zwischen Sprache und Denken, genauer gesagt, über die Verbindungen zwischen Sprache und männlichen Privilegien. In der heutigen Zeit sendet dieser Preis auch eine starke Botschaft an alle, die Geschlechterungleichheiten erforschen und anprangern: Ihre Arbeit ist für Forschung und Lehre von entscheidender Bedeutung!»
Verleihung der Schweizer Wissenschaftspreise Marcel Benoist und Latsis im Bundeshaus
Für die wissenschaftliche Selektion des Preisträgers war der Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Auftrag der Marcel Benoist Stiftung zuständig. Die gemeinsame Verleihung der Schweizer Wissenschaftspreise Marcel Benoist und Latsis findet am 7. November 2024 im Nationalratssaal des Bundeshauses in Bern statt. Die Präsidenten der jeweiligen Stiftung werden die Preise im Beisein von Bundesrat Guy Parmelin und Nationalratspräsident Eric Nussbaumer überreichen.
Der Preisträger 2024: PD Dr. Pascal Mark Gygax
Pascal Mark Gygax, geboren 1974 in Evilard BE, erwarb einen Bachelor-Abschluss in Psychologie an der Universität Derby und einen Master-Abschluss in Sportpsychologie an der Universität Liverpool. Er promovierte in experimenteller Psychologie an der Universität Sussex. 2002 kehrte er in die Schweiz zurück, wo er die Gruppe für Psycholinguistik und angewandte Sozialpsychologie am Psychologischen Institut der Universität Freiburg mitbegründete und seither die Co-Leitung innehat. Pascal Mark Gygax ist Autor von über 60 peer-reviewten Artikeln und zahlreicher Veröffentlichungen für die breite Öffentlichkeit. 1998 erhielt er den Preis für «Outstanding Independent Studies» der Universität von Derby, 2016 wurde ihm der Genderpreis der Universität Freiburg verliehen. Der Psycholinguist hat bereits 21 Stipendien von nationalen und internationalen Forschungsförderinstitutionen erhalten.
Literatur zu Pascal Mark Gygax Forschung
- Jäggi, T., Sato, S., & Gygax, P. M. (2023). Skin cancer risk assessment and the grammaticalization of the future: the role of epistemic modality when temporally framing health information. Language and Health, 1(1), 5866. ↗
- Gygax, P., Sato, S., Oetl, A. & Gabriel, U. (2021). The masculine form and its multiple interpretations: a challenge for our cognitive system. Language Sciences, 83. ↗
- Gygax, P., Gabriel, U., Sarrasin, O., Garnham, A., & Oakhill, J. (2008). There is no generic masculine in French and German: When beauticians, musicians and mechanics are all men. Language and Cognitive Processes, 23, 464-485. ↗
- Vervecken, D., Gygax, P., Gabriel, U., Guillod, M., Hannover, B. (2015). Warm businessmen, cold housewives? Effects of gender-fair language on adolescents’ perceptions of occupations. Frontiers in Psychology – Cognition. ↗