«Die Vergangenheit für die Zukunft öffnen»: Mit diesem Zitat, das an den Wänden des Berner Rathauses prangt, eröffnete der Journalist Olivier Dessibourg als Moderator die Verleihung der Schweizer Wissenschaftspreise 2023. Beide Preise «feiern die bisherige Forschung» der Preisträgerinnen und Preisträger und «unterstützen sie bei ihrer zukünftigen Arbeit».
Bundesrat Guy Parmelin betonte in seiner Rede, wie wichtig es sei, dass sich die akademische Welt mit den ethischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Aspekten des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts befasse. Als er die anwesenden rund 20 jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begrüsste – diese hatten sich zuvor mit Preisträger Ted Turlings und Preisträgerin Lesya Shchutska ausgetauscht – , forderte er sie denn auch als Stellvertretende der neuen Generation auf, «uns jedes Mal den Spiegel vorzuhalten, wenn Ihr feststellt, dass wir es versäumen, uns ausreichend um den Nutzen der Forschung für die Menschheit und damit auch um Eure eigene Zukunft zu kümmern». Den beiden ausgezeichneten Forschenden dankte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung für das, was sie «für die Wissenschaft und das Wohlergehen aller leisten».
Die Sprache der Pflanzen entschlüsseln
Didier Queloz, Präsident der Marcel Benoist Stiftung, erinnerte daran, dass Marcel Benoist, als er vor mehr als hundert Jahren sein Vermögen der Schweizerischen Eidgenossenschaft vermachte, seine Dankbarkeit gegenüber unserem Land zeigte, das ihn aus Frankreich aufgenommen hatte. Der von ihm ins Leben gerufene Preis sandte schon damals eine visionäre Botschaft, indem er die grundlegende Rolle der Wissenschaft in unserer Gesellschaft hervorhob. Nur eine vergleichbare Auszeichnung ist älter als der Marcel Benoist Preis, nämlich die von einem gewissen Alfred Nobel gestiftete. Technologische Innovationen, so sagte Didier Queloz weiter, seien heute «so sehr in unserem Alltag präsent, dass wir vergessen, dass sie nur dank der sorgfältigen, langwierigen und schwierigen – und immer noch allzu oft übersehenen – Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht wurden».
Carlo Rivolta, Vorsitzender des Auswahlkomitees des Marcel Benoist Preises, hob seinerseits die grosse Bedeutung der Arbeit des Preisträgers, des Biologen Ted Turlings, hervor. Besonders verwies er auf dessen Entdeckung der flüchtigen Verbindungen, welche Pflanzen als Reaktion auf Insektenangriffe ausstossen, was «eine Art Pflanzensprache darstellt, deren Komplexität und Raffinesse uns immer wieder überrascht». Die bahnbrechende Aufklärung dieser verborgenen Welt der chemischen Kommunikation zwischen Pflanzen und Tieren hat neue Perspektiven für eine umweltfreundlichere Landwirtschaft eröffnet.
Unerforschtes Territorium erschliessen
Yves Flückiger, Präsident der Latsis Stiftung, legte dar, wie die Stiftung seit fast fünfzig Jahren die Forschung in der Schweiz unterstützt, in der Überzeugung, dass «die Wissenschaft die Fakten liefert, auf welche die Politik ihre Entscheidungen abstützen muss» und dass «die Grundlagenforschung den Nährboden bildet, auf dem alle bahnbrechenden Innovationen aufbauen, die die Welt verändern und zum Wohlergehen der Gesellschaft beitragen».
Die Preisträgerin Lesya Shchutska hat in der Teilchenphysik «unerforschtes Territorium erschlossen», bemerkte Olivier Schneider, Mitglied des Nationalen Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds, von dem sie für den Latsis Preis 2023 vorgeschlagen wurde. Er hob den grossen Einsatz der Forscherin hervor, die «Schnelligkeit ihrer Analyse und ihre Fähigkeit, sofort neue Zusammenhänge herzustellen.»
Auf die Übergabe der Diplome und die Unterzeichnung des Goldenen Buches der Marcel Benoist Stiftung, in dem die Namen aller Preisträgerinnen und Preisträger verewigt werden, folgte eine Podiumsdiskussion mit Ted Turlings und Lesya Shchutska. Die aus der Ukraine stammende Physikerin erläuterte den hohen Wert einer grossen Infrastruktur wie das CERN, die es ermöglicht, viele Länder für ein gemeinsames Ziel zu gewinnen und die besten Talente in die Schweiz zu bringen. Der aus den Niederlanden stammende Ted Turlings seinerseits legte dar, wie seine anfängliche Grundlagenforschung nach und nach zu immer mehr angewandten Projekten führte und dass internationale Zusammenarbeit – auch mit Ländern mit anderen politischen Ausrichtungen – notwendig ist, um globale Herausforderungen zu bewältigen.
Austausch mit Jugendlichen
In einem zusammen mit dem Verein Reatch organisierten Workshop trafen Ted Turlings und Lesya Shchutska junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an den Wissenschaftsolympiaden und dem nationalen Wettbewerb von «Schweizer Jugend forscht» teilgenommen hatten. Diese bekamen so die Gelegenheit zu einem Austausch über wissenschaftliche Fragen, aber auch über verschiedene Aspekte der akademischen Laufbahn und den Platz der Wissenschaft in der Gesellschaft.